Über Benjamins Begriff der Geschichte

Wie könnte es möglich sein, dass wir unsere Existenz um des Fortschritts Willen gefährden? Benjamin öffnet unsere Augen zu diesem Selbstopfer, diesem sogenannten notwendigen Übel. Wir müssen darüber nachdenken und die Barbaren im Spiegel herausrufen. Wir haben so viel Vertrauen in dem Historiker, warum auch immer, wir diesen distanzierten Betrachter unfehlbar befunden haben. Benjamin beschriebt, dass bei uns, als eine Gesellschaft, unsere Einfühlung freilich nur dem Sieger gilt. Geschichte ist von dem Sieger geschrieben und wir erfassen die Verwicklung, wenn jemand alle Geschichte besitzen kann, nicht völlig. Er, der der Sieger sei, sackt Kulturgüter, was Benjamin ein Dokument von Barbarei nennt, ein.

Wir müssen diese Feststellung vorsichtig behandeln. Benjamin sagt, „Die Natur dieser Traurigkeit wird deutlicher, wenn man die Frage aufwirft, in wen sich denn der Geschichtsschreiber des Historismus eigentlich einfühlt. Die Antwort lautet unweigerlich in den Sieger“. Er hat Recht, aber Benjamins genaue Erkenntnis spricht ihm keinen Vorrecht zu. Eigentlich ist es ein bisschen ironisch, dass er das sagte, weil er, ein Geschichtsschreiber des Historismus, sich in den Unterdrückter einfühlt. Es ist etwas wie ein Widerspruch und heutzutage ist doch die Situation umgekehrt. Heutzutage sind wir sympathisch für das Opfer der Geschichte, für alle Opfer des Kolonialismus, für alle Opfer der Bezwingung. Vielleicht sind Benjamins Beobachtungen überholt oder vielleicht es gelangt ihm, unsere Kultur zu verändern.

Einerseits kritisiert Benjamin diese befangene Methode, anderseits scheint er ein bisschen heuchlerisch. Er gebt den strengen Standard von Fustel de Coulanges an. Fustel empfiehlt dem Historiker, „wolle er eine Epoche nacherleben, so solle er alles, was er vom spätern Verlauf der Geschichte wisse, sich aus dem Kopf schlagen.“ Jetzt ist die frage, in wen sich Benjamin eigentlich einfühlt? Aber ich habe gedacht, dass es kein Ort für Gefühl in unbefangener Berichterstattung gibt.

Benjamin überschreitet sicherlich den Rubikon, wenn er die Funktion des Siegers als barbarisch beschreibt. Benjamin schreibt, „Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein.“ Es schient, dass seine Bemerkung eine grobe Generalisation macht. Tatsächlich ist sein Weltbild, das er auf dem Angelus Novus Figur projiziert, genauso ideologisch als seine Behauptung. Er spricht, „Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert.“

Warum ist es der Fall, dass wir Geschichte wie eine Kette von Begebenheiten deuten? Sollen wir frommer Historiker sein und sollen wir diese reduktionistische Perspektive annehmen, zu alle Geschichte wie Trümmer anzusehen. Wenn alle Trümmer ist, was ist wirklich Trümmer? Ob wir alle Barbaren sind, wer am barbarischsten ist? Benjamins Erklärung ist problematisch weil es die Plausibilität der Tiefe hat. Es ist allerdings nur ein Aphorismus. Es ist menschlich barbarisch zu sein. Selbst Benjamin schreibt, „Die jeweils Herrschenden sind aber die Erben aller, die je gesiegt haben. Die Einfühlung in den Sieger kommt demnach den jeweils Herrschenden allemal zugut.“

Benjamins Analyse ist total sinnvoll. Es ist ein Zeichen über sein Können als Philosoph. Wie ein Philosoph muss er über die Moral diskutieren, aber als Historiker soll das Denkmuster verändert, sondern muss Benjamin die Realien vorlegen. Er hat in seiner These andere Historiker kritisiert. Seine Beschwerde handelt von der Weise, wie Historiker Kulturgut behandelt wird. Benjamin schreit auf, „Man bezeichnet sie als die Kulturgüter. Sie werden im historischen Materialsten mit einem distanzierten Betrachter zu rechnen haben. Denn was er an Kulturgüter überblickt, das ist ihm samt und sonders von einer Abkunft, die er nicht ohne Grauen bedenken kann.“ Dieser sogenannte distanzierte Betrachter könnte auch einen guten objektiven Historiker nennen werden. Außerdem sagt Benjamin von diesem Historiker, „ Der historische Materialist rückt daher nach Maßgabe des Möglichen von ihr ab.“

Es scheint mir, dass es ein Interessenkonflikt ist, wenn ein Kulturkritiker auch ein Historiker ist. Obwohl der politische Kommentar unsere Kultur anreichert, mindert es die Integrität der Geschichte. Sein Begriff betrachtet wie eine Kritik, würde Klugheit sein. In dieser Hinsicht warnt Benjamins Meldungen unsere Gesellschaft von einer Zukunft der Ungerechtigkeit vor.

Von Benjamins Wörtern, Kultur sei von Natur aus korrupt, werden wir auf jeden Fall die Barbaren. Was ist aus dem Verlierer geworden? Der Verlierer wird etwas wie der Preis des Jägers. In diese Beziehungen ohne Respekt zwischen Barbarei und Beute gibt es nur Scham. Niemand hat das zweischneidige Schwert gemerkt, das der Barbar handhabt. Benjamin spricht ohne Hoffnung, doch spricht Benjamin von einer Dystopie. Kriege werden geführt und der Sieger wird Geschichte bestimmen. Die moderne Geschichte spricht von zwei Weltmächten, die einen gemeinsamen Sieg nicht zulassen. Der Kalte Krieg war einfach ein Krieg über Dominanz, das Recht, Triumph zu behaupten. Am Ende wird der Sieger seine Krone der Barbarei erwerben.

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